KRANKENMORD AN ERKRANKTEN AUSLÄNDISCHER HERKUNFT

Porträt von Juchim Schnal, vor 1944, Privatbesitz Oksana Fischer.

Juchim Schnal wurde am 11. Oktober 1903 in Tomaschow in der Ukraine (heute Polen) geboren. Am 6. Januar 1944, dem orthodoxen Weihnachtsfest, wurde er zur Zwangsarbeit verschleppt. Als Wehrmachtssoldaten das Haus durchsuchten, in dem er lebte, war er gerade auf Toilette. Weil er dort nichts mitbekommen hatte, spülte er, und dadurch wurde man auf ihn aufmerksam. Er wurde zur Hafenarbeit nach Brake an der Weser im Kreis Wesermarsch gebracht. Wegen Erschöpfung wurde er in die Heil- und Pflegeanstalt Wehnen eingewiesen. Vin dort kam er am 14. Dezember 1944 in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Am 13. Februar 1945 morgens fand man ihn leblos in seinem Bett. Die offizielle Todesursache lautete »Erschöpfung bei ausgedehnter Unterhauteiterung der Bauchhaut«. Juchim Schnal wurde 41 Jahre alt.

Ab 1941 kamen zunehmend Erkrankte ausländischer Herkunft in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Ab 1943 durften Erkrankte ausländischer Herkunft nicht mehr in ihre Heimatländer zurückgeführt werden, dies galt insbesondere für Zwangsarbeiter*innen. Damit Erkrankte ausländischer Herkunft nicht auf der gleichen Station behandelt werden wie Deutsche, wurden sogenannte »Ostarbeiterabteilungen« geschaffen. Auch im damaligen Städtischen Krankenhaus Lüneburg wurde eine »Krankenbarracke« für Zwangsarbeiter*innen errichtet für die medizinische Versorgung. In diesen abgesonderten Abteilungen herrschten besonders schlechte Bedingungen. Es gab eine Mangel- und Fehlversorgung, sodass viele in Folge dessen starben. Im damaligen Städtischen Krankenhaus wurden zwischen 1943 und 1945 mindestens 52 Zwangsarbeiter*innen mit Medikamenten ermordet.

1944 entschied das Reichministerium des Innern, elf Heil- und Pflegeanstalten auf dem Gebiet des Deutschen Reiches auszuwählen, die ihren Schwerpunkt auf die »Versorgung« von Patient*innen ausländischer Herkunft legen sollten. Dort sollten Sammelstellen für unheilbar erkrankte Zwangsarbeiter*innen eingerichtet werden. Neben den Anstalten Bonn, Hadamar, Kaufbeuren, Landsberg/Warthe, Lüben, Mauer-Öhling, Pfafferode, Schleswig, Schussenried und Tiegenhof gehörte auch die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg dazu.

In den »Ausländersammelstellen« wurden die Zwangsarbeiter*innen von den Anstaltsärztinnen und -ärzten nach ihrer Einsatz- und Leistungsfähigkeit begutachtet. Die als arbeitsfähig eingestuften Patient*innen wurden ausreichend versorgt und nach einer Regenerierung an den Arbeitseinsatzort »gebessert entlassen«, mit fortbestehendem Risiko, dort zu sterben bzw. getötet zu werden. Die meisten Erkrankten, die in der »Ausländersammelstelle« gesammelt wurden verließen sie nach wenigen Tagen mit einem Sammeltransport an einen bis heute unbekannten Ort außerhalb des Reichsgebietes.

Wenn die Erkrankte ausländischer Herkunft dem Sammeltransport entkamen und in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg starben, wurden sie auf dem Friedhof Nordwest bestattet, auf einem eigens für sie angelegten »Ausländergräberfeld«. Die Opfer des Städtischen Krankenhauses wurden vermutlich auf dem Zentralfriedhof bestattet. Wo sich die Gräber genau befunden haben, ist Bestandteil aktueller Forschung.

Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie im DOKUMENTATIONSZENTRUM.

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